Epagneul de Saint Usuge
Der Jagdhund für alle Fälle
Das Parfum
Im August wurde ich zwei Jahre alt und ich dachte, dass sich etwas ändern muss. Die Mädels interessieren sich
nicht für mich und für die Rüden bin ich einfach Luft. Keiner knurrt mich an oder bleibt mit gesträubtem Fell
steifbeinig vor mir stehen. Ich glaube, es liegt an meinem Geruch! Ständig werde ich gestreichelt und gekrault
(was ja ganz angenehm ist), aber dabei bleibt der menschliche Wohlgeruch in meinem Fell. Und das muss ich
dringend ändern.
Es war inzwischen Anfang September und mein Chef wurde immer unruhiger. Das kannte ich schon und auch
dass ich bald wieder im Kofferraum sitzen würde, mit dem Ziel „Spessart“. Tatsächlich begann er bald im ganzen
Haus seine Jagdsachen zusammen zu suchen, packte alles und auch mich ins Auto. Drei Stunden später war ich
wieder in dieser wundervollen Welt voller neuer Gerüche und Abenteuer.
Da ich meinem Chef inzwischen beigebracht hatte, dass
mein Aufenthalt im Kofferraum – während er sich auf
einem Hochsitz die Blätter ansah – böse Folgen für den
Innenraum des Wagens hätte, durfte ich immer mit.
Entweder wurde ich am Fuß der Hochsitzleiter abgelegt
oder in niedrige Kanzeln hinein gehoben. Jeden Morgen,
pünktlich um 9.00 Uhr (worauf ich großen Wert lege),
beginnt der „Lösespaziergang“. Er führt über Wiesen und
Felder am Wald entlang und bietet viele Gelegenheiten
zum Stöbern und die Nase einzusetzen. Der Weg führte
oberhalb eines Wiesenhanges entlang. Unten im kleinen
Tal rauscht ein Bächlein aus einem Schwarzdornbusch und
ein wunderbarer Geruch wehte von dort zu mir herauf. Da
ist die Lösung all meiner Probleme, da muss ich hin.
„Wenn ich jetzt direkt in den Busch sause, werde ich garantiert zurück gepfiffen. Also Vorsicht!“ Ich
interessierte mich also für alle Mauselöcher, die mich ganz unverfänglich meinem Ziel näher brachten. Der
Geruch wurde sehr heftig und der Chef stand auf dem Weg und freute sich an der schönen Natur und ich auch.
Denn jetzt gab es kein Halten mehr und mit einer flotten Rolle über die linke Schulter landete ich auf dem
zerlaufenden Aas. Dann noch einmal auf den Rücken und den Nacken kräftig eingerieben. Dieser Duft, der mich
jetzt überall umgab, machte mich endlich zu einem richtigen Rüden und brachte mir das nötige
Selbstbewusstsein. Noch eine Rolle und Kopf, Ohren und Rücken gut einarbeiten. Das Luder war aber auch so
schön weich und geschmeidig.
Die Begeisterung entlockte mir einen kleinen Jauchzer und schon rief mich der Chef mit einem kurzen Pfiff zu
sich. Ganz entspannt sprang ich über die Wiese, schnüffelte an jedem Grashalm und machte einen auf sehr
unschuldig. Bis sich der Wind drehte und der Chef meinte, die Bauern würden aber inzwischen ein Zeug auf die
Felder fahren, das man verbieten müsste.
Auf dem Rückweg mussten wir immer an einem Hühnerauslauf vorbei.
Ich hörte dann schon vorher: „Gerry, benimm dich!“ Aber die Hühner
kamen jedes Mal freudig gackernd an den Zaun und erwarteten ihr
Futter. Das war aber für mich das Signal zum Angriff. Ich wollte ja
nicht, aber diese Herausforderung musste ich einfach annehmen. Wenn
sie dann merkten, dass es kein Futter gab sondern einen rasenden
Gerry, gab es immer ein wundervolles Flattern und Geschrei, das die
Federn flogen.
Als wir dann am Haus ankamen, wunderte sich der Chef plötzlich über
den hartnäckigen „Bauerngeruch“, der uns immer noch begleitete.
Dann dauerte es nicht mehr lange und ich fand mich in der Wildwanne
wieder. Ein Eimer Wasser ergoss sich über mich. Ich wurde eingeseift,
noch eine Gießkanne Wasser folgte und mein guter Spezialduft war
wieder weg. Bis auf einen Rest, der sich in meine Halsung eingegraben
hatte. Damit konnte ich gut leben, aber der Chef leider nicht, denn er
meinte: „Der stinkt ja noch immer!“. Ein wohlmeinender Mitbewohner
erklärte daraufhin genüsslich, dass so was Wochen dauern könne. Das
habe ich sehr gern gehört.
Um 19,00 Uhr sollte es auf den Ansitz gehen. Aber die Zeit verging,
nichts geschah und ich wurde immer unruhiger. Als der Chef dann
merkte wie spät es schon war, ging alles sehr schnell. Waffe, Glas, Wildwanne, Hund – alles kam umgehend ins
Auto und ab ging es hinter den Holzstapel im Revier. Ich zog den Chef so schnell ich konnte hinter mir her, in
Richtung Erdsitz. Der bremste mich aber ständig mit seinem „Bei Fuß!“ und „Wann begreift der das endlich“.
Bei der Kanzel angekommen, kletterte ich die vier Sprossen hinauf, legte mich bequem hin, steckte die Nase
aus der Tür und wartete auf die kommenden Ereignisse. Es kam aber nichts! Der Chef meinte plötzlich „Das
kommt von der verdammten Hektik.“ Er hatte die falsche Waffe gegriffen und das Magazin aus der Jagdtasche
mit den Patronen passte nicht dazu. „Jetzt können wir die frische Luft genießen und den Anblick!“ Es kam aber
nichts in Anblick.
Einige Tage später wurden Rotwildkirrungen aufgebaut. Eine Menge Menschen und Autos waren da und alle
waren sehr beschäftigt und der Chef hatte keine Zeit für mich. Ich habe also die Gegend erkundet und bin dabei
auf einen alten Bekannten gestoßen. Als es vor Monaten so heiß war hatte ich schon einmal das Vergnügen.
Mein späteres Erscheinen an der Kirrung löste allgemeines Gelächter aus.
Dabei war mein Fell jetzt so schön glatt und glänzend und ich hatte wieder einen guten Hundegeruch! Darum
ging ich beleidigt bei meinem Chef in Deckung und wurde übel beschimpft. „ Du stinkst ja schon wieder. Hast
wohl die alte Suhle vom Sommer wieder gefunden.“
Jetzt hatte ich zwar einen guten Geruch, aber nichts wie Ärger. Ich verstehe die Menschen nicht.
Autor: Udo Weeser
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